Reisebericht USA 2007
Markt Erlbach, im November 2007
Tag 5 - Chicago - Joilet - Wilmington - Braidwood - Gardner - Odell - Pontiac - Towanda - Springfield (Illinois)
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Mittwoch, 17. Oktober 2007

Heute wollte ich das Ganze mal etwas ruhiger angehen als bisher, um dem Aspekt der Erholung, der so einem Urlaub ja auch angedacht ist, zumindest heute mal Rechnung zu tragen. Also war kein Wecker ge- und kein Weckruf be-stellt. Gegen 7:30 bin ich aufgewacht und der heutige Tag hat mich weit freundlicher begrüßt als die letzten [1]. Etwa eine halbe Stunde brauchten die Planungen für den aktuellen Tag, und bei halbwegs angenehmen Temperaturen [1] setzte ich mein Mietfahrzeug in Bewegung. Bereits am gestrigen Abend habe ich auf der Frequenz 99,9 einen Sender gefunden, der nahezu durchwegs Sachen spielte, die meinem Geschmack entsprachen. Diesem war ich auch treu bis ich ausser Sendereichweite war und wurde auf den ersten Metern auf der Suche nach der Route mit einem "Da da da" von Trio (!) belohnt. Dabei habe ich mich an einer Kreuzung zweier Interstates derart verzettelt, dass ich quasi die komplette Stadt nochmal durchquert habe.

Da es sich hier auch noch um einen Tollway handelt, einen gebührenpflichtigen Abschnitt, beschloss ich, mich durch die Stadt zu kämpfen - Ein Entschluss, der mich ungefähr eine halbe Stunde meiner Zeit gekostet hat, den ich aber immerhin mit aufmerksamem Beobachten des Treibens auf den Strassen (und freilich auch links und rechts davon) Chicagos ein bisschen relativieren konnte.

Der heutige Tag sollte mich auf die ersten Meilen der legendären Route 66 führen. Die allerersten Meilen, laut Reiseführer irgendwo in Downtown Chicago, habe ich mir jedoch gespart. Eingeschworene Fans und erwartungsschwangere Leser mögen mich dafür jetzt lynchen wollen, oder zumindest schimpfen, aber direkt in den Verkehr der Stadt wollte ich mich an diesem Morgen nicht noch einmal stürzen. Es sind schätzungsweise knapp 10 Meilen, die mir am Anfang fehlen, als ich meine Tour auf der Ogden Avenue [1|2], in entsprechender Entfernung vom Stadtzentrum, mein ganz persönliches Abenteuer "Route 66" beginne.

Mein begleitender Reiseführer der "Outdoor" Reihe nennt sich sinnigerweise "USA: Route 66" mit dem Untertitel "Der Weg ist das Ziel", erschienen im Conrad Stein Verlag, erschienen Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts, in zweiter Auflage von 2005. Die Autorin Ingrid Stein gibt hier sowohl eine Routenbeschreibung zum Besten sowie vereinzelt auch Tipps für Orte und Sehenswürdigkeiten links und rechts der eigentlichen Strecke. Zunächst hat mich dieses Büchlein in Chicago durchaus auf die richtige "Fährte" gelotst, doch im späteren Verlauf der Reise gab es hier und da Situationen, die mir nicht so schmeckten. Doch dazu zu gegebenem Zeitpunkt mehr.

Nach kurzem passieren der Harlem Avenue hielt ich kurz am dortigen Aldi, auf den auch im Reiseführer hingewiesen wird, um ein Gedenkfrühstück [1|2] für eine meiner Lektorinnen abzuhalten, die sich immer wieder aufbürden, meine Berichte und den Blödsinn, den ich manchmal schreibe, Korrektur zu lesen (Wenn Du bisher keinen Blödsinn entdeckt hast ist das mitunter deren Verdienst). Der Dank hierfür folgt aber erst auf der letzten Seite dieses Berichts.

Kurz nach besagtem Aldi also ging es nach rechts auf die Joilet Road [1|2]. Die Freude, dass ich bis hierher so gut zurecht kam, währte nicht lange, denn nach noch nicht einmal einer einzigen gefahrenen Meile: Baustelle, Umleitung! Ich trug dieses Schicksal gelassen [1], denn die Umleitung war nicht allzu üppig, sodass ich relativ schnell wieder auf dem richtigen Weg war und meinen Weg fortsetzen konnte. Verblüffend fand ich, was sich die Tabakkonzerne mittlerweile alles einfallen lassen, um Werbung zu machen: Sie verkaufen sogar schon Sprit [1]!

Schon kurze Zeit nach Aufbruch war ich in Joilet [1], einer der ersten Orte an der Mother Road, wie die Route 66 auch immer wieder genannt wird. Knappe 20 Meilen später dann Wilmington, ein Örtchen, in dem ein Restaurant mit dem Namen "Launching Pad Drive in" die Route-Reisenden mit einem übergroßen Raumfahrer [1] begrüßt. Schon wenig später wird die Strecke, die auf den ersten Meilen ja über mittlerweile stark ausgebaute Straßen führt, urig und romantisch. Kurz vor 13 Uhr Ortszeit erreichte ich dann Braidwood. Ein Städtchen mit gerade mal 5203 Einwohnern laut übereinstimmenden Angaben von offiziellem und inoffiziellem Ortsschild [1], aber immerhin ein McDonalds Restaurant und ein Drive In im "klassischen" Stil [1|2]. Auf diesem Abschnitt begleitet die Eisenbahn [1] den schnurgeraden Verlauf der Route [1] über viele Meilen hinweg.

In Gardner dann erblickte ich ein Schild mit einem Hinweis auf ein historisches 2-Zellen Gefängnis. Nun, dachte ich mir, wenn ich schon mal da bin, warum nicht? Ich fuhr also kurz von der eigentlichen Route ab und folgte der Beschilderung zu diesem Gebäude [1|2|3], das mich in Ausmaßen und Ausstattung doch sehr an das 2004 besuchte Gefängnis in Oatman [R] erinnerte, als ich einen großen Teil des westlichen Abschnitts der Route gefahren bin.

Von diesem niedlichen, aber nicht unbedingt sensationellen Punkt fuhr ich dann zurück auf die Hauptstrecke, die ich heute bereisen wollte. Es ging weiter hin schnurstracks durch die Gegend. Entlang der Strecke hunderte dieser "typischen" Telegrafen- und Strommasten [1|2|3]. Plötzlich gab es einen unvorhergesehenen Zwischenstopp: Ein Zug kreuzte die Straße [1], und wie in Deutschland hat auch hier Schienenverkehr Vorrang. Nächstes Mal bring ich Schienen mit. Doch wie kann das sein? Läuft nicht die Bahnlinie kontinuierlich parallel zur Route, und das nicht mal allzu weit entfernt? Ist auch so, also musste ich dieser Sache mal genauer nachgehen. Ich und meine Neugier! Die Lösung war eine Schienenkreuzung, wie sie mir bislang nicht bekannt war [1|2]. Aber ich weiss ja: Das Leben ist ein steter Lernprozess. Und ich bin kein Eisenbahner.

Durch heimelige Städtchen [1] (hier nennt sich ja mittlerweile fast alles "City") und vorbei an etwas befremdlich wirkenden "Route 66 Cafes" [1] ging es weiter, vorbei an einer alten Tankstelle [1] und entlang der teilweise noch erhaltenen ganz alten Trasse bis Odell. Doch keine Sorge, es geht hier nicht um Gülle. Vielmehr steht hier eine der ältesten erhaltenen Tankstellen der Route [1|2]. Neben den alten Zapfsäulen gibt es auch eine urige Registrierkasse [1] und diverses altes Werkzeug [1] und weitere, epochentypische Dinge [1|2] zu sehen.

Auch der weitere Verlauf der Strecke ist nicht mehr die eigentliche "Route", die - irgendwie vorwurfsvoll bis anklagend - über weit reichende Abschnitte parallel verläuft [1]. Diverse (offenbar selbst ernannte) "Roadside Attractions" [1] säumen den Weg bis Pontiac, wo es ein Route 66 Museum geben soll, das ich dann auch schnell gefunden habe [1]. Der Eintritt scheint hier frei zu sein, eine ältere Dame bat mich, als ich noch nicht mal den letzten Fuß durch die Tür nachgezogen hatte, bereits um einen Eintrag in das Gästebuch der Einrichtung. Ich bat mir aus, zuerst die Ausstellung betrachten zu dürfen, die den einen oder anderen Spagat zwischen kitschig, informativ und kommerziell wagt [1|2|3]. Das Museum finanziert sich durch Donations, also finanzielle Zuwendungen. Die dafür bereitgestellte Büchse hat etwas von den hierzulande weit verbreiteten "Kaffeekassen" (die Anführungszeichen haben ihren Grund), aber da ich das Ganze in seiner Gesamtheit ganz witzig fand habe ich auch ein paar Dollar hiergelassen. Und mich natürlich in das Gästebuch eingeschrieben, um etwas Werbung für meine kleine, bescheidene Internetpräsenz zu machen.

Am Wegesrand gab es dann immer wieder Route 66 Nostalgie pur [1|2]. Auf diesem Abschnitt wird mir klar, womit man den Reiz dieser Route vergleichen kann: Venedig. Das mag jetzt vielleicht etwas weit hergegriffen klingen, doch genauer betrachtet erwartet man doch weder hier noch da uneingeschränkten Glanz und Pracht. In beiden Fällen ist es ein gewisser Grad an Zerfall, an Symoblik der Vergänglichkeit, die den (durchaus auch fotografischen) Reiz beider Reiseziele in sich vereinen, die ansonsten jedoch unterschiedlicher kaum sein könnten.

Am Ende des Dörfchens (Entschuldigung, aber bei 550 Einwohnern kann und will ich nicht mehr von Stadt sprechen, nicht mal mehr von Städtchen) Towanda [1] gibt es eine Art kleinen Park, der an Leute erinnern soll, die sich hier um die Route verdient gemacht haben, der auch direkt auf dem Verlauf der alten Trasse liegt [1|2|3]. Vorbei an schnieken kleinen Städtchen und Dörfern [1] und immer wieder für ein paar Meilen auf der Interstate [1] ging es weiter, einem Wetter entgegen, das mir so gar nicht gefallen wollte [1]. Um 4:15 pm, also 16:15 waren es laut Beschilderung noch 157 Meilen bis St. Louis. Da ich mich heute schon ein paar mal mehr oder weniger schwer verfahren habe und auch mit weiteren Vorgängen dieser Art rechnete, habe ich meine Planung, diese Strecke heute noch zu erledigen, erst mal auf Eis gelegt. Mal sehen, was daraus wird.

Der Weg führte mich vorbei an kleinen Zeugnissen der Religiösität in diesem Teil des Landes [1], unter beeindruckend schönen Wolkenformationen hindurch [1], vorbei an Zeugen und Zeugnissen der alten Zeit, in der diese Straße zum Mythos wurde [1|2|3|4|5]. Im Radio wurde gerade berichtet von einem Unfall, bei dem eine Frau wohl mit dem Auto auf den Schienen einer Eisenbahnlinie stehen bzw. liegen blieb, untermalt von den Tonaufzeichnungen des Polizeiautos, in dem der Beamte, der die Dame dann gerettet hat, die Videoanlage mitlaufen ließ. Mit 72 MPH, also gut 115 Stundenkilometern ist die Lok in das Fahrzeug gerauscht, das Tondokument ist spannender als jedes Hörspiel. In Lincoln splittet sich die Route dann erstmalig: Es wird eine Strecke gesondert ausgewiesen, auf der die Route 1930-1940 verlief und offenbar durch die Stadt führe, die andere Variante schien fast ein bisschen wie eine Umgehungsstraße. Für diese habe ich mich aus dem Grund entschieden, dass ich befürchtete, je tiefer ich in die Stadt gerate, umso höher die Gefahr, dass ich mich verfahre.

Etwa 90 Meilen vor St. Louis habe ich dann nach dem Abendessen Unterschlupf bekommen im Red Roof Inn in Springfield, Illinois, welches mit 50,59 USD inklusive Steuer schon eine ganze Ecke günstiger war als das kürzlich angesteuerte Haus dieser Kette bei Chicago. Übrigens das zweite Springfield nach 1998 bei Washington D.C., in dem ich übernachte. Diese Stadt, noch in Illinois gelegen, hat eine Einwohnerzahl von rund 111.000 und ist somit eine der größten Städte auf dem Weg nach Los Angeles. Rund halb 9 am Abend war es, als ich eincheckte. Es hatte immer noch Temperaturen von etwa 20°C, jedoch ging ein sehr unangenehmer, straffer und kontinuierlicher Wind an diesem Abend.

Ich hatte ein Zimmer im Erdgeschoss, und es wäre sogar ein Platz direkt vor der Zimmertüre frei gewesen, den ich dann aber aus einem ganz bestimmten Grund nicht nutzen wollte: Das Fahrzeug auf dem Parkplatz nebenan [1]. An diesem meinem fünften Reisetag legte ich 313 Meilen zurück.

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